Doris Gutsmiedl-Schümann

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Doris Gutsmiedl-Schümann

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Vor einiger Zeit wurden wir bei der Suche nach online zugänglichen Quellen für das Projekt AktArcha auf die digitalisierten Martikelbücher der Prager Universitäten aufmerksam. Im Rahmen unserer Recherchen waren wir schon mehrmals auf Absolventinnen aus Prag gestoßen. Dabei war uns aufgefallen, dass dort in den ersten zehn Jahren, nachdem das Fach Urgeschichte eingerichtet worden war, vergleichsweise viele Frauen promoviert haben. Wir haben in diesen Matrikelbüchern nun systematisch nach diesen Frauen gesucht.

Das Fach Urgeschichte an der Deutschen Universität Prag

Die 1348 gegründete Karls-Universität Prag kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. 1882 wurde sie in eine deutsche und eine tschechische Universität geteilt. Seit der Gründung der Tschechoslowakei 1918 wurde der deutschsprachige Anteil „Deutsche Universität Prag“ genannt; 1939 bis 1945 trug er den Namen „Deutsche Karls-Universität Prag“. Seit 1919 bemühte sich die Deutsche Universität Prag darum, einen Lehrstuhl für Vorgeschichte einzurichten. Archäologie an sich war zwar an dieser Universität mit Wilhelm Klein (1850-1924) vertreten; dieser lehrte jedoch im Schwerpunkt eher klassische Archäologie.

Im Jahr 1929 wurde Leonhard Franz (1895-1974) an der deutschen Universität Prag planmäßiger außerordentlicher Professor für Urgeschichte: Damit war die prähistorische Archäologie als Fach auch dort vertreten. 1936 erhielt er eine ordentliche Professur, die er bis zu seinem Wechsel an die Universität Leipzig 1938 innehatte. In dieser Zeit betreute er neun archäologische Dissertationen – sieben davon wurden von Frauen verfasst. Diese sieben Prager Absolventinnen der Urgeschichte möchten wir in diesem Beitrag näher vorstellen. Dabei gehen wir auch der Frage nach, ob ihre Biografien neben dem Betreuer ihrer Doktorarbeit noch weitere Gemeinsamkeiten aufweisen.

Von dem ersten Beschluss, eine Lehrkanzel für Urgeschichte an der Deutschen Universität Prag einzurichten, bis mit Leonhard Franz 1929 der erste Professor tatsächlich seine Arbeit aufnahm, vergingen zehn Jahre (mehr zu den Hintergründen bei Blažek 2006). Die ersten erfolgreichen Abschlüsse konnte Leonhard Franz dann aber bereits 1930 und 1931 verzeichnen.

1932: Die erste Prager Absolventin

Camilla Streit (1903-1950) wurde am 18. Juni 1932 als erste Frau im Fach Urgeschichte an der Deutschen Universität Prag promoviert. Sie schrieb ihre Dissertation über „Unbeweglichen Körperschmuck in vorgeschichtlicher Zeit“. Sie untersuchte darin archäologische Hinweise auf Körperbemalung und Tätowierung in prähistorischen Epochen seit dem Paläolithikum, und verglich diese mit ethnografischen Beispielen. Diese Arbeit wurde als Aufsatz in der Zeitschrift Anthropos 1935 veröffentlicht (Blažek 2006, 237; Hlava 2019, 171; Koch 2013, 278).

Eintrag aus dem Matrikelbuch der Deutschen Universität Prag zu Camilla Streit: Namen und Geburtsort: Streit, Camilla, Reichenberg. Jahr und Tag der Geburt: 23.5.1903. Religion: röm.kath. Namen, Stand und Wohnort der Eltern: Gustav (†) Oberrevident d. Str., Auguste, Reichenberg. Gymnasial- und Universitätsstudien: Prag. Tag der Promotion: 18. Juni 1932 (Quelle: Archive of the Charles University, collection Registry books of the German University in Prague, inventory No. 5, Registry book of doctors of the German University in Prague (1931–1936), page 101)

Nach dem Studienabschluss – die Promotion war damals der erste und einzig mögliche Studienabschluss in einer Geisteswissenschaft – blieb Camilla Streit in der Tschechoslowakischen Republik, und arbeitete einerseits in der Bodendenkmalpflege, andererseits am urgeschichtlichen Institut der Universität als Assistentin von Leonhard Franz. In den Jahren 1938 bis 1941 war sie am Institut für Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Köln tätig, ehe sie 1941 nach Prag zurückkehrte. Dort wurde sie stellvertretende Direktorin des archäologischen Instituts der Akademie der Wissenschaften nun im Protektorat Böhmen und Mähren, und versuchte, Archäologie im Sinne des Nationalsozialismus zu betreiben. Nach dem 2. Weltkrieg war sie nicht mehr in der Archäologie tätig (Hlava 2019, 171).

1933: Promotionen zu Kleidung und Frisuren vorgeschichtlicher Frauen

Die Quellenlage zu den beiden Absolventinnen des Jahres 1933 ist deutlich dünner. Zuerst wurde Edith Stiassny (1909-?) am 3. März 1933 promoviert, am 10. November 1933 folgte Ilse Tittel (1910-?). Beide beschäftigten sich in ihren Arbeiten mit dem Erscheinungsbild vorgeschichtlicher Frauen (Blažek 2006, 238; Koch 2013, 277-278).

Die Spurensuche nach Edith Stiassny gibt einige Rätsel auf. Zu ihrer Doktorarbeit werden zwei unterschiedliche Titel überliefert: Einerseits „Zur Geschichte des kretischen Frauenvolkes“ (Blažek 2006, 238; Koch 2013, 277), andererseits „Zur Geschichte der kretischen Frauenrockes“ (DNB; Nachrichtenblatt für Deutsche Vorzeit). Neben der gänzlich anderen Schreibweise des Nachnamens („Stinsky“ statt „Stiassny“) wird im Nachrichtenblatt für Deutsche Vorzeit allerdings auch ein anderes Promotionsjahr genannt (1932 statt 1933).

Eintrag aus dem Matrikelbuch der Deutschen Universität Prag zu Edith Stiassny: Namen und Geburtsort: Stiassny, Edith, Prag. Jahr und Tag der Geburt: 4.3.1909. Religion: konflos. Namen, Stand und Wohnort der Eltern: Felix, Oberbeamter & Helene, Prag. Gymnasial- und Universitätsstudien: Prag. Tag der Promotion: 3. März 1933(Quelle: Archive of the Charles University, collection Registry books of the German University in Prague, inventory No. 5, Registry book of doctors of the German University in Prague (1931–1936), page 165)

1940 findet sich in der Zeitschrift MAN – a monthly record of anthropological science des Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland die Zusammenfassung eines Vortrags von Edith Stiassny mit dem Titel „The History of Women’s Costume in Crete and Mycenae”. Sie hatte also wohl „Zur Geschichte der kretischen Frauenrockes“ promoviert. Die Zusammenfassung des Vortrags erklärt auch, warum dieses eher klassisch-archäologische Thema in der Urgeschichte angesiedelt wurde: Sie betrachtete darin die Entwicklung von Frauenkleidung seit dem Paläolithikum.

Nach ihrem Eintrag im Matrikelbuch wurde sie am 4.3.1909 in Prag geboren, und ging auch dort zur Schule. Ihre Eltern waren der Oberbeamte Felix Stiassny und seine Frau Helene, was für eine Herkunft aus einer bürgerlichen Familie spricht. Laut Miloš Hlava (2019, 171) war sie Jüdin, wird im Matrikelbuch jedoch als konfessionslos geführt. Die Suche nach den Namen ihrer Eltern in genealogischen Datenbanken ergibt einen passenden Treffer: Felix Rudolf Stiassny (1879-1942) wird dort als Ehemann von Helene Stiassny, geb. Hojtasch (1877-1942) geführt. Beide wurden im Holocaust in Theresienstadt ermordet.

Edith Stiassny ist wohl noch vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs nach Großbritannien ausgewandert. Im Sommer 1939 nahm sie an Ausgrabungsarbeiten in Bury Hill, UK, teil, und neben dem schon erwähnten Vortrag vor dem Royal Anthropological Institute am 12. November 1940 sprach sie am 2. Oktober 1941 vor der British Archaeological Association ebenfalls über das Thema ihrer Dissertation (Hlava 2019, 171). Zusammen mit Thomas Downing Kendrick (1895-1979), dem späteren Direktor des British Museums, half Edith Stiassny in den 1940er Jahren dabei, Bücher und Gemälde der Society of Antiquaries vor den Angriffen auf London in Sicherheit zu bringen (Bruce-Mitford 1991, 460). Weitere Spuren von ihr haben wir noch nicht gefunden – nun wissen wir aber, dass wir in Großbritannien weitersuchen müssen.

Ihre Kommilitonin Ilse Tittel schrieb ihre Dissertation über „Beiträge zur Geschichte der Haartracht in prähistorischer Zeit“, und schloss ihr Studium 1933 ab. Sie scheint die Archäologie nach dem Studium recht schnell verlassen zu haben: 1935 trat sie aus der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte in der Tschechoslowakei aus (Hlava 2019, 172). Wie es in ihrem Leben weiterging, wissen wir noch nicht.

1935: Eine Bibliothekarin im Studium der Urgeschichte

Zwei Jahre später kann die Professur für Urgeschichte eine weitere Promotion verzeichnen. Elizabeth Schenk (1898-1979) schloss ihr Studium mit einer Arbeit über „Die Anfänge der Urgeschichtsforschung im Spiegel der bildlichen Funddarstellungen“ am 1. Juni 1935 ab (Blažek 2006, 237; Koch 2013, 276). Sie war Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte in der Tschechoslowakei; weitere Spuren hat sie in der Archäologie jedoch nicht hinterlassen (Hlava 2019, 172). Auffällig ist das vergleichsweise hohe Alter der Studentin, die sich 1929 mit 31 Jahren an der Universität einschrieb, und im Vergleich zu ihren Kolleginnen auch deutlich länger studierte.

Eintrag aus dem Matrikelbuch der Deutschen Universität Prag zu Elisabeth Schenk: Namen und Geburtsort: Schenk, Elisabeth, Bratislava. Jahr und Tag der Geburt: 2.3.1898. Religion: röm.kath. Namen, Stand und Wohnort der Eltern: Albert, Bauunternehmer & Liddy, Bratislava. Gymnasial- und Universitätsstudien: Bratislava, Prag. Tag der Promotion: 1. Juni 1935 (Quelle: Archive of the Charles University, collection Registry books of the German University in Prague, inventory No. 5, Registry book of doctors of the German University in Prague (1931–1936), page 440)

Auch in diesem Fall halfen das Geburtsdatum und der Geburtsort, Name der Eltern sowie der Beruf des Vaters dabei, Schlaglichter auf das weitere Leben der Doktorandin zu werfen. In einer Datenbank tschechischer Bibliothekare – SCK – Slovník českých knihovníků – fand sich ein passender Treffer. Hier erfahren wir, dass Elisabeth Schenk nach dem Besuch des Gymnasiums zunächst zur Bibliothekarin ausgebildet wurde, und ab 1928 in diesem Beruf tätig war. Die Arbeit in Bibliotheken schien sie auch während des Studiums nicht aufgegeben zu haben: Sie wird in der Datenbank ab 1933 als eine Bibliothekarin der Technischen Hochschule Prag genannt; zudem gab sie in den 1930er Jahren Kurse an der staatlichen Bibliotheksschule. Des Weiteren erfahren wir hier, dass sie als jüdische Angestellte im März 1939 vorübergehend beurlaubt wurde, ehe sie an eine Bibliothek im slowakischen Martin versetzt wurde.

Elisabeth Schenk war zeitgleich mit Anton Mucha (1882-1945) an der Technischen Hochschule Prag tätig. Er war zudem Dozent für Bibliothekswesen an der Deutschen Universität Prag und Lehrer an der staatlichen Bibliotheksschule, an der auch Elisabeth Schenk unterrichtete. Anton Mucha und sein Vorgesetzter Joseph Becker stellten sich laut SCK in der Zeit der deutschen Besatzung und des Protektorats Böhmen und Mähren schützend vor ihre Angestellten – was auch den Verbleib von Elisabeth Schenk in Prag erklären könnte. Nach dem Tod von Anton Muchas erster Frau 1944 wurde er zu Elisabeth Schenks Ehemann. Fortan schrieb sie ihren Namen „Elisabeth M. Schenk“ – das „M.“ steht für „Muchova“, den zusätzlichen Namen, den sie nach der Heirat führen konnte. Anton Mucha durfte seine Tätigkeit nach dem Ende des zweiten Weltkriegs fortführen. Er starb am 29.11.1945 mit 63 Jahren an einem Herzleiden.

Posthum gab Elisabeth Schenk auf Basis der Notizen, die sich Anton Muchas Schüler*innen zwischen 1942 und 1944 in seinen Vorlesungen gemacht haben, das Handbuch Správa knihovny – Bibliotheksverwaltung heraus. 1947 wanderte Elisabeth Schenk nach Großbritannien aus. Dort schrieb sie eine umfassende Geschichte der Bibliothek der Technischen Hochschule in Prag 1718-1945, die 1977 auf Deutsch in der Zeitschrift Bibliothek und Wissenschaft veröffentlicht wurde. Sie starb am 18. Dezember 1979 in London.

1936: Abschluss einer internationalen Studierenden und künftigen Professorin

Bereits im Jahr darauf konnte Leonhard Franz seine nächste Schülerin promovieren. Ethel Boissevain (1913-2002) schrieb über „Neolithische Plastik in den Regionen zwischen der Donau und dem Dniepr“ (Blažek 2006, 238; Koch 2013, 262). Die gebürtige New Yorkerin kehrte nach ihrem Abschluss in die USA zurück. Nach ihrer Heirat mit Arthur Lesser am 11. November 1938 trug sie den Namen Ethel Boissevain Lesser.

Eintrag aus dem Matrikelbuch der Deutschen Universität Prag zu Ethel Boissevain: Namen und Geburtsort: Boissevain, Ethel, Rockville Center New York. Jahr und Tag der Geburt: 5.2.1913. Religion: anglik. Namen, Stand und Wohnort der Eltern: Henri, Börsenbeamter & Caroline, Short Hills New Jersey. Gymnasial- und Universitätsstudien: Rhainfild USA, Vassar Coll. USA, Prag. Tag der Promotion: 20. Juni 1936 (Quelle: Archive of the Charles University, collection Registry books of the German University in Prague, inventory No. 5, Registry book of doctors of the German University in Prague (1931–1936), page 588)

Dem Nachruf auf Professor Ethel Boissevain Lesser können wir entnehmen, dass sie am Hunter College und am Herbert Lehman College der City University of New York tätig war, wo sie ein evening graduate program in Kulturanthropologie einrichtete. Sie lehrte auch an der Drew University in Madison, New Jersey. Als ihre fachlichen Spezialgebiete werden einerseits Figurinen des Neolithikums, andererseits Ethnologie und Geschichte der Narragansett Indians von Rhode Island genannt. Sie starb nur wenige Tage nach ihrem Mann am 19. November 2002 in Ithaca im US-Bundesstaat New York.

1937: Der erste Abschluss zu einem typologischen Thema

Die aus dem heutigen Kroatien stammende Josefine Kollmann (1911-2009) schloss das Studium der Urgeschichte im Jahr 1937 ab. Sie schrieb ihre Doktorarbeit über „Die Maskenfibel der Frühlaténezeit“; diese Arbeit wurde noch im gleichen Jahr in der Zeitschrift Sudeta publiziert (Blažek 2006, 238; Koch 2013, 268). Dem Titel nach war das die erste Abschlussarbeit bei Leonhard Franz, ie ein typologisches Thema zum Gegenstand hatte.

Zwei Jahre später war sie unter den Mitarbeitenden des Amtes für Vorgeschichte im Reichssudetenkreis zu finden. Ab Juni 1939 gehörte Josefine Kollmann zu denjenigen, die Daten zu Fundstellen und Funden im Gebiet der Reichsgrafschaft Sudetenland aus den Archiven des Staatlichen Archäologischen Instituts und des Nationalmuseums in Prag sammelten. Ebenfalls 1939 heiratete Josefine Kollmann den aus Světice in Nordwestböhmen stammenden Maler Heinz Schubert; 1941 bekam das Paar eine Tochter, Ulrike. Im gleichen Jahr ist Josefine Schubert “aus familiären Gründen” aus dem Amt für Vorgeschichte ausgeschieden, wie einem Brief Hermann Schrollers (1900–1959) von 9. Mai 1941 zu entnehmen ist. Weiter schreibt er: “Ich habe sie beauftragt, das noch in Prag liegende Material zu einem vorläufigen Abschluβ zu bringen und mir dann geschlossen einzusenden, da ich nicht übersehe, wann ich diese Arbeit in Prag fortsetzen lassen kann.” Bis 1944 war sie wohl zeitweise mit der Fundbearbeitung beschäftigt (Hlava 2017, 446–447; Hlava 2019, 171-172).

Heinz Schubert trat 1942 in die Wehrmacht ein, 1944 geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung zog er 1947 nach Kempten, wo er seine Frau wiedertraf. Nach dem zweiten Weltkrieg war Josefine Schubert offenbar nicht mehr in der Archäologie tätig. Sie starb 2009 (Hlava 2019, 171-172).

1938: Die letzte von Leonhard Franz betreute Doktorarbeit aus Prag

Die letzte von Leonhard Franz in Prag betreute Doktorarbeit wurde von Elfriede Stadler (1914-?) verfasst. Sie schrieb über „Die vorgeschichtliche Besiedlung des Bezirkes Böhm. Budweis“, und wurde am 5. März 1938 promoviert (Blažek 2006, 238; Koch 2013, 277).

Eintrag aus dem Matrikelbuch der Deutschen Universität Prag zu Elfriede Stadler: Namen und Geburtsort: Stadler, Elfriede, Böhm. Krumau. Jahr und Tag der Geburt: 21.9.1914. Religion: evang. Namen, Stand und Wohnort der Eltern: Dr. Gustav, Gymn. Direktor & Margarete, B. Krumau. Gymnasial- und Universitätsstudien: Tetschen, Prag. Tag der Promotion: 5. März 1938 (Quelle: Archive of the Charles University, collection Registry books of the German University in Prague, inventory No. 6, Registry book of doctors of the German University in Prague (1936–1939), page 201)

Zuvor scheint die Tochter eines Gymnasialdirektors auch die Staatsprüfung für Lehrkräfte an weiterführenden Schulen in den Fächern Englisch und Geschichte abgelegt zu haben, wie ein entsprechender Prüfungsbogen im Archiv der Universität zeigt.

Elfriede Stadler ging nach ihrem Abschluss an die Universität Wien, wo sie am Urgeschichtlichen Institut für Oswald Menghin (1888-1973) arbeitete (Hlava 2019, 171). Dort lernte sie den serbischen Archäologen Adam Oršić (1895–1968) kennen, der 1944 bei Oswald Menghin promovierte. Im gleichen Jahr wurde Elfriede Stadler seine zweite Ehefrau (Hlava 2019, 172; Janković 2016, 860-861).

Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs lebte das Ehepaar Oršić in einem britischen Internierungslager in Österreich. Adam Oršić engagierte sich hier auch in der Flüchtlingshilfe engagierte. Zugleich setzten Elfriede und Adam Oršić ihre archäologische Arbeit fort, und nahmen v.a. für das Landesmuseum Linz an Ausgrabungen in Micheldorf, Štajerling, Linz, Ens und Ditah teil (Janković 2016, 861).

In dieser Zeit stellen Adam und Elfriede Oršić mehrere Ausreiseanträge: Sie wollten nach Brasilien auswandern. Adams Cousin stellte ihnen hierfür Garantien zur Verfügung. 1951 wurde ihre Ausreise genehmigt, und sie zogen nach Paraná im Süden Brasiliens. Dort waren sie auch weiterhin in der Archäologie tätig (Hlava 2019, 172; Janković 2016, 861). Elfriede Oršićs Spuren in die neue Welt werden wir an anderer Stelle weiterverfolgen.

Haben diese Frauen etwas gemeinsam?

Die kurzen Einblicke in die bislang bekannten Biografien zeigen nach dem Studium Lebensläufe, wie sie unterschiedlicher kaum sein können. Neben dem Studium der Urgeschichte und dem damit verbundenen mutmaßlichen Interesse an Archäologie und Geschichte haben diese Prager Absolventinnen aber gemeinsam, dass ihnen ein höherer Schulabschluss als Voraussetzung für das Studium zugänglich war. Wo wir etwas über die Berufe der Väter erfahren, sprechen diese für eine eher bürgerliche Herkunft.

… und wie ging es weiter?

1939 verließ Leonhard Franz Prag, und ging als Professor für Vor- und Frühgeschichte an die Universität Leipzig. Zu seiner Nachfolge wurden Lothar Zotz (1899-1967) ernannt, der auch während des zweiten Weltkriegs am Urgeschichtlichen Institut der Universität Prag blieb. In dieser Zeit kehrte die erste Prager Absolventin, Camilla Streit, dorthin zurück, und Josefine Schubert, geb. Kollmann, war weiterhin in der tschechischen Archäologie tätig. Auch bei Lothar Zotz studierten weiterhin Frauen das Fach Urgeschichte: Bei ihm promovierten etwa Gisela Freund (1920-2023) oder Ingeborg Kiekebusch (1912-2004). Doch das ist Gegenstand für einen weiteren Artikel.

Das Projekt AktArcha möche an dieser Stelle den Kolleginnen und Kollegen des Institute of Archeology of the Czech Academy of Sciences danken: Für hilfreiche Hinweise zu Literatur sowie für die Möglichkeit, in den digitalen Archiven der Akademie nach archäologisch arbeitenden Frauen recherchieren zu können!

Quellen und Literatur

  • Jan Blažek, První profesura pravěké archeologie na Německé universitě v Praze. In: Milan Sýkora/Jana Hlavová (Hrsg.), Archeologické výzkumy v severozápadních Čechách v letech 1998-2002. Tomáši Velímskému k šedesátinám. Přispěvky k Pravěku a Rané Době Dějinné Severozápadních Čech 14 (Most 2006) 231–238.
  • R. L. Bruce-Mitford, Thomas Downing Kendrick 1895-1979. Proceedings of the British Academy 76, 1991, 445–471.
  • Miloš Hlava, Zlatý věk uničovské archeologie. Mizzi Manethová a muzeum v Uničově. Archaeologica Olomucensia Tomus 41 (Olomouc 2019).
  • Miloš Hlava, Zánik Úřadu pro pravěk (Amt für Vorgeschichte). Kapitola z dějin Státního archeologického ústavu, Archeologie ve středních Čechách 21, 443–462.
  • Marko A. Janković, U potrazi za Adamom Oršićem kroz arheologiju XX veka (Searching for Adam Oršić through 20th century archaeology). EAP (Issues in Ethnology and Anthropology) 11/3, 2016, 853–857. DOI: 10.21301/EAP.V11I3.10Titel anhand dieser DOI in Citavi-Projekt übernehmenTitel anhand dieser DOI in Citavi-Projekt übernehmen
  • Julia K. Koch, Frauen in der Archäologie – eine lexikalisch-biographische Übersicht. In: Jana E. Fries/Doris Gutsmiedl-Schümann (Hrsg.), Ausgräberinnen, Forscherinnen, Pionierinnen. Ausgewählte Porträts früher Archäologinnen im Kontext ihrer Zeit. Frauen Forschung Archäologie 10 (Münster 2013) 259–280.
  • Obituary Ethel Boissevain Lesser. In: Ithaca Journal, 20. Dezember 2022. Online verfügbar unter https://www.legacy.com/us/obituaries/theithacajournal/name/ethel-lesser-obituary?id=50230409 [letzter Aufruf 17.10.2023]
  • Schenk, Elisabeth M. In: SCK – Slovník českých knihovníků – Databases of the National Library CR, online verfügbar unter https://aleph.nkp.cz/publ/sck/00000/01/000000116.htm [Eintrag erstellt 2014, letzter Aufruf 17.10.2023]

Dieser Blogeintrag ist am 19. Oktober 2023 zuerst unter https://aktarcha.hypotheses.org/3274 erschienen.

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Forschende - Lehrende - Archäologin | Prähistorikerin - Hochschuldidaktikerin