Doris Gutsmiedl-Schümann

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Doris Gutsmiedl-Schümann

“Ich interessiere mich für Geschichte...

...suche aber etwas praxisbezogenes, deshalb möchte ich Archäologie studieren”

Doris Gutsmiedl-Schümann

2 Minuten Lesezeit

Wenn ich Studieninteressierte berate, frage ich sie gerne einmal nach Ihrer Motivation, warum Sie Archäologie studieren möchten. Oft erhalte ich sinngemäß eine Antwort wie diese: “Ich interessiere mich für Geschichte. Ich wollte aber nicht so was theorielastiges wie Geschichtswissenschaft studieren, sondern mehr was praxisbezogeneres, wie Archäologie.”

Leider kommen viele Studierende mit dieser Vorannahme zur Studienberatung. Doch dies ist nicht der Unterschied zwischen Geschichtswissenschaft und Archäologie. Beides sind Disziplinen, die die Vergangenheit des bzw. der Menschen erforschen – mit den ihnen eigenen Quellen und Methoden. Die Quellen der Geschichtswissenschaft sind schriftliche Zeugnisse, die Quellen der Archäologie materielle Kultur. Um diese Quellen auswerten und interpretieren zu können, benötigen beide Wissenschaften Theorien und Methoden – ein Archäologiestudium ist daher nicht mehr und nicht weniger “theorielastig” als ein Geschichtsstudium.

Vielleicht ist das Archäologiestudium gerade in den ersten Semestern sogar noch theorielastiger als das Geschichtsstudium: Geschichte ist eine Disziplin, die zum Fächerkanon der schulischen Bildung zählt; Geschichtsstudierende können daher auf ein wenig Vorwissen zurückgreifen, wenn sie das Studium beginnen. Archäologie kennen die meisten StudienanfängerInnen nur aus den Medien, aus Büchern, Zeitschriften, Film und Fernsehen, und auch aus dem Web 2.0 – aber die wenigsten StudienanfängerInnen in den Archäologien haben tatsächlich schon einmal in diesem Fach gearbeitet. Von daher müssen zu Beginn des Studiums die gängigen Theorien und Methoden des bzw. der gewählten archäologischen Schwerpunkte bewältigt werden, zu denen in der Regel bei den Studierenden keinerlei Vorwissen vorhanden ist. Das macht ein Archäologiestudium gerade in den ersten Semesterwochen zu einem sehr arbeitsaufwändigen und einem sehr trockenen Studium.

Der Umgang mit den Quellen selbst – also das, was von Seiten der Studieninteressierten gerne als “praxisbezogen” empfunden wird – sollte aber auch in beiden Disziplinen ab einem gewissen Punkt im Studium vorhanden sein. Antike Papyri, mittelalterliche Folianten oder neuzeitliche Tagebücher als Schriftzeugnisse und damit Quellen der Geschichtswissenschaft können dabei jedoch ebenso faszinieren wie jungsteinzeitliche Keramikscherben, bronzezeitliche Stabdolche oder eisenzeitliche Fibeln als Zeugnisse materieller Kultur und damit als Quellen der Archäologie.


Dieser Blogeintrag ist am 18. Mai 2014 zuerst unter https://archiskop.hypotheses.org/33 erschienen.

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Forschende - Lehrende - Archäologin | Prähistorikerin - Hochschuldidaktikerin