Ausgangspunkt für diesen Blogeintrag war eine Frage auf dem Twitter-Account der DGUF: “Wie stark ist in der Archäologie heute der Gedanke: “Wer (im klassischen Sinne) rausgeht aus dem Fach, der ist ein Looser”? Gilt auch heute noch “nur die Harten bleib’n im Garten”, egal, ob die dann u. U. #nbezahlt arbeiten müssen?”
Auf diesen Tweet hatte ich folgendes geantwortet: “Kommt m.E. stark auf den Ort und die dort tonangebenden Archäolog*innen an… Durch inhaltlich breit aufgestellte Studiengänge, die anhand archäologischer Themen eine Vielzahl von möglichen Perspektiven aufzeigen, gäbe es m.E. gute Möglichkeiten, dieser Meinung entgegenzuwirken.”
Auf Grund der anschließenden Rückfrage, “Haben Sie selbst denn in Ihrem Umfeld mit konkreten Maßnahmen schon Ergebnisse erzielt, die Anderen als Vorbild oder Ideengeber dienen könnten?” ist dieser Blogbeitrag entstanden.
Dieser Bitte um Beispiele komme ich gerne nach – allerdings habe ich beim Versuch, Tweets als Antworten zu schreiben, schnell festgestellt, dass es derer zu viele werden, und die Inhalte dann nicht mehr nachvollziehbar sind. Zudem sollte ich zu meinen Beispielen ausführen, für welches universitäre Umfeld sie gedacht sind, und wie ich mir die Gruppe der angesprochenen Studierenden vorstelle. Daher nun ein Blogeintrag zu diesem Thema: Wie lässt sich Studierenden vermitteln, dass es keine bessere oder schlechtere Berufswahl nach dem Studium gibt? Oder, allgemeiner gesagt, wie lässt sich der Aspekt “Berufsvorbereitung” in einem weit gefassten Sinne in die Lehre eines archäologischen Studiengangs integrieren? Hierzu möchte ich im Folgenden zwei Beispiele vorstellen. Das erste Beispiel habe ich bislang nur in einer verkürzten Form tatsächlich in meine Lehre integrieren können; das hier vorgestellte ausführliche Konzept wartet noch auf seinen praktischen Einsatz. Das zweite Beispiel habe ich so bereits erfolgreich durchgeführt.
Bevor ich aber auf meine Beispiele zu sprechen komme, vorab ein paar Worte zum universitären Umfeld, in dem diese Elemente unterrichtet werden.
Spätestens seit der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge sind “Berufsbefähigung” oder “Berufsvorbereitung” regelhafter Bestandteil von Studiengangskonzepten; entsprechend häufig finden sich meist ähnlich lautende Angaben zu den unterschiedlichen Berufsfeldern, die den Absolventinnen und Absolventen eines archäologischen Studiengangs offen stehen, wie die unten gezeigten Angaben aus den Informationen zum B.A. Archäologische Wissenschaften der Universität Bochum.
Wer einen Abschluss in diesem Studiengang hat, arbeitet häufig
- im Museum oder im Ausstellungswesen
- in der Bodendenkmalpflege
- in Medienanstalten und Verlagen
- in der Erwachsenenbildung und Touristik
- im Kulturmanagement
Angaben zum B.A. Archäologische Wissenschafter Ruhr-Universität Bochum (http://studienangebot.rub.de/de/archaeologische-wissenschaften/bachelor-1-fach)
Wie alle Aspekte aktueller Studiengänge, muss auch die “Berufsvorbereitung” in Modulen abgebildet und in Studien- und Prüfungsordnungen dokumentiert werden. Auf eine systematische Auswertung aktueller Studiengänge werde ich auf diesem Blog in einem gesonderten Beitrag noch eingehen; an dieser Stelle soll erst einmal der Hinweis genügen, dass – zumindest in der Theorie – in aktuellen Studiengängen in der Regel Raum für Veranstaltungen zur Berufsvorbereitung vorgesehen ist.
Für didaktische Elemente zur Berufsorientierung und Berufsvorbereitung ist aus meiner Sicht noch wichtiger als die Frage, ob in Studiengangskonzepten Raum für das Thema Berufsvorbereitung gegeben wurde, die Frage, mit welchen Studierenden in einem Studiengang gerechnet werden kann. Dazu gibt es meist keine hilfreichen Angaben, so dass Lehrende hier oft auf ihre Erfahrungen angewiesen sind – oder sich aus den Studiengangsbeschreibungen zusammenreimen müssen, für welche Zielgruppe der Studiengang gedacht war. Daher möchte ich auch kurz darlegen, wie ich mir die Zusammensetzung der Studierenden denke, für die ich Veranstaltungen oder Veranstaltungselemente zur Berufsorientierung und Berufsvorbereitung konzipiert habe.
Für einen Bachelorstudiengang gehe ich davon aus, dass sich sowohl Studierende, die von Anfang eine Berufstätigkeit im Bereich der Prähistorische Archäologie anstreben, als auch Studierende, die zunächst einmal geisteswissenschaftliche Methoden und Arbeitsweisen am Beispiel der Prähistorischen Archäologie kennen lernen möchten, und noch nicht wissen, in welchem Bereich sie ihre berufliche Zukunft sehen, in diesem Studiengang befinden. Wieder andere Studierende haben sich vielleicht einfach wegen des interessanten Fachs für das Studium entschieden, und denken noch gar nicht über die Zeit nach dem Abschluss und einen Berufseinstieg nach. Die im Folgenden beschriebe Sitzung zum Thema Berufsorientierung und Berufsvorbereitung ist so konzipiert, dass sie allen genannten Gruppen einen Mehrwert bieten kann.
Beispiel 1: Eine Sitzung zur Berufsvorbereitung in einem Grundlagenmodul zur Prähistorischen Archäologie
Welche potenziellen Arbeitsfelder für Absolventinnen und Absolventen eines Studiengangs zur prähistorischen Archäologie in Frage kommen, sollte aus meiner Sicht durchaus schon in einer Grundlagenveranstaltung im ersten oder zweiten Semester angesprochen werden. Aus diesem Grund hatte ich, als ich das Modul “Arbeitstechniken und Grundlagen der Prähistorischen Archäologie” unterrichtet habe, hierfür Zeit in einer Sitzung eingeplant. Da dieses spezifische Modul mit einer Klausur abgeschlossen wurde, habe ich Themen, die sich schlecht für das Formulieren von Klausurfragen eignen, in die beiden letzten Sitzungen des Semesters, unmittelbar vor den Klausurtermin gelegt, unter anderem das Thema “Beruf”.
Damit Berufsaussichten und potentielle Arbeitsfelder nicht nur einseitig aus der Lehrendenperspektive beleuchtet werden, habe ich die Studierenden bereits zu Beginn des Semester gebeten, im Verlauf des Semesters die Stellenanzeigen am “Schwarzen Brett” des Instituts, auf einschlägigen Webseiten und Portalen (wie sie etwa auf dieser Übersichtsseite der DGUF zusammengestellt sind), sowie in der Tageszeitung ihrer Wahl zu beobachten, und sich diejenigen Anzeigen ausschneiden, abzuspeichern oder auszudrucken, die jeweils dem am Nächsten kommen, wie sich die einzelnen Studierenden ihren zukünftigen Arbeitsalltag vorstellen oder wünschen würden. Diese gesammelten Stellenausschreibungen sollten dann zum Ende des Semesters zur Sitzung zum Thema Arbeitsfelder mitgebracht werden: Anhand der gesammelten Ausschreibungen lässt sich gut die Bandbreite möglicher Tätigkeiten aufzeigen. Wenn genug Zeit ist, können die gesammelten Stellenanzeigen auch als Basis für Gruppenarbeiten dienen, in denen die Studierenden zusammenstellen, welche Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen in den Ausschreibungen gefordert oder gewünscht sind, und herausarbeiten, welche Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenten sie bereits haben, welche sie erwarten, im Laufe des Studiums erwerben zu können, und für welche sie vielleicht Veranstaltungen in überfachlichen Angeboten der Universität, Angebote des Carreer Centers oder außeruniversitäre Bereiche heranziehen müssten.
Die herausgearbeiteten Ergebnisse können dann auch in einem Vortrag von Lehrendenseite, der die potentiellen Berufsfelder für Absolventinnen und Absolventen der Prähistorischen Archäologie in drei in einander übergehenden Bereichen als fachlich, fachnah und fachfern vorstellt, aufgegriffen und eingeflochten werden. Dabei ist der Bereich der fachfernen Berufsfelder am schwersten zu fassen und darzustellen: Letztendlich ist hier alles möglich, was sich die Absolventinnen und Absolventen selbst zutrauen. Hier ist es m, E. am sinnvollsten, mit spezifischen Beispielen, etwa aus den Reihen früherer Absolventinnen und Absolventen eines Instituts oder Studiengangs aufzuzeigen, welche Möglichkeiten es hier gibt.
Zu den Berufsfeldern, die einem bei einem Studium eines archäologischen Fachs wohl als Erstes in den Sinn kommen – Denkmalpflege und Ausgrabung, Museum und Ausstellungswesen, Forschung und Wissenschaft – gibt es hingegen Zahlen und Daten, mit denen sich diese Bereiche vorstellen lassen, etwa in der Studie Discovering the Archaeologists of Europe. In dieser Studien finden sich auch Diagramme, die für verschiedene Bereiche und Arbeitgeber aufzeigen, wie viele Personen dort in archäologische Aufgaben, und wie viele andere Aufgaben wahrnehmen. Diese Grafiken eignen sich gut, um von fachlichen zu fachnahen Berufsfeldern überzuleiten.
In diesem Impulsvortrag darf aber auch nicht verschwiegen werden, dass für viele fachliche und fachnahe Tätigkeiten nach wie vor mindestens ein Masterabschluss, meist aber die Promotion erforderlich ist, zudem sollte thematisiert werden, dass viele Stellen zeitlich befristet sind. Zur Illustration finden sich hierzu auch hilfreiche Diagramme in “Discovering the Archaeologists of Europe”.
Dabei war mir in dieser didaktischen Einheit sehr wichtig, die unterschiedlichen potentiellen Berufsfelder möglichst gleichwertig neben einander stehen zu lassen, und die Studierenden zu ermutigen, sich mit jenen Berufsfeldern näher zu beschäftigen, die sie persönlich besonders interessieren – und diese ggf. mit einem Praktikum näher zu erkunden.
Beispiel 2: Ein Seminar zur Arbeitswelt im Praktikumsmodul des Masterstudiengangs Prähistorische Archäologie
Das zweite didaktische Konzept, das ich hier vorstellen möchte, habe ich entwickelt, als ich gebeten wurde, das “Seminar zum Praktischen Modul” im Masterstudiengang Prähistorische Archäologie der FU Berlin zu übernehmen. Hierzu heißt es in der entsprechenden Modulbeschreibung: “Die praktische Tätigkeit wird abgeschlossen durch ein Seminar, in dem die Ergebnisse des Praktikums wissenschaftlich fundiert vorzustellen sind” (Link zur Studienordnung). Die vage gehaltenen Angaben aus der Modulbeschreibung habe ich unter dem Titel “Themen der Arbeitswelt” in ein Seminar im Workshopformat übersetzt. Das Seminar besteht aus einem Termin zur Vorbesprechung, etwa 3-6 Wochen vor den eigentlichen Seminarterminen, und einen Block mit drei ganzen Seminartagen, wobei diese entweder unmittelbar hintereinander, oder mit wenigen Tagen Abstand zu einander abgehalten werden sollten.
Herzstück des Seminars sind Vorträge von Studierenden. Diese werden in der Vorbesprechung gebeten, für das Seminar einen max. 30-minütigen Beitrag vorzubereiten, in dem sie von eigenen praktischen Erfahrungen berichten, indem sie zunächst den Kontext ihrer Tätigkeit vorstellen, und dann darstellen, was sie konkret gemacht haben, und was sie dabei gelernt haben. Im letzten Teil ihres Beitrags sollen die Studierenden dann eine Situation, eine Begebenheit oder einen Sachverhalt vorstellen, der sie während ihrer praktischen Tätigkeit irritiert hat, wo sie ratlos waren, und nicht recht wussten, wie sie reagieren sollten, oder ähnliches. Sie sollen beschreiben, wie sie in der jeweiligen Situation oder auf den jeweiligen Sachverhalt reagiert haben, und diskutieren, wie sie, wenn sie wieder damit konfrontiert würden, nun reagieren würden. Dieser letzte Teil der Vorträge leitet in eine allgemeine Diskussion über, mit dem Ziel, für die dargestellten schwierigen oder problematischen Situationen, Begebenheiten oder Sachverhalte Hilfestellungen zu erarbeiten, die beim Umgang mit zukünftigen ähnlichen Situationen herangezogen werden können.
Damit dies funktioniert, und die Studierenden wie auch die Lehrenden tatsächlich offen schwierige und problematische Dinge ansprechen, sollten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars sowohl in der Vorbesprechung, als auch zu Beginn der Blocktermine Vertraulichkeit zusichern, so dass die konkreten Fälle, die besprochen werden, auch in den vier Wänden des Seminarraums bleiben. Aus diesem Grund erscheint es mir auch angemessen, dass in diesem Seminar nur Studierende teilnehmen, die einen aktiven Beitrag leisten, so dass es nicht für Gasthörerinnen und Gasthörer geöffnet werden sollte.
Zusätzlich werden an jedem Seminartag unabhängig von den Referaten zwei grundsätzlichere Themen besprochen. Das erste Thema, “Wie sieht die Arbeitswelt für uns eigentlich aus?”, ist dabei von vorneherein festgelegt, und thematisiert ähnlich wie das didaktische Element aus dem Bachelorstudiengang die in einander übergehenden fachlichen, fachnahen und fachfernen Berufsfelder, geht auf aktuelle Daten und Zahlen zu Abschlüssen, Beschäftigungen, Befristungen, u. ä. ein und kommt auf Diversität und Chanchengleichheit zu sprechen. Auch Aspekte wie Interessenvertretung und Berufsverband gehören zu diesem Punkt. Im ersten Teil des Seminars werden die Studierenden zudem gebeten, eine Art Mind-Map, am Besten auf einem Whiteboard oder Flipchart zu erstellen, in der sie zusammenstellen, wie die Arbeitswelt für sie ihrer Ansicht nach aussieht. Diese Mind-Map wird dann im Laufe der Seminartage auch weiter ergänzt, daher ist wichtig, dass sie während der gesamten Seminarzeit zur Verfügung steht.
Für den weiteren Verlauf des Seminar stehen sieben weitere Themen zur Verfügung, von den sich die Studierenden in der Vorbesprechung fünf aussuchen. Zu jedem Thema sollen die Studierenden dann entweder einen längeren oder zwei kürzere Texte vorbereiten, um in der Seminarsitzung eine Diskussionsgrundlage zu haben; weitere Texte und ggf. Links auf Blogbeiträge, Zeitungsartikel, Foren oder Videos werden zu den Themen als ergänzendes Material genannt, wobei pro Thema nicht mehr als vier oder fünf Elemente aufgeführt werden. Idealerweise wird auf das Material über eine e-Campus-Plattform verlinkt.
Weitere, zu Wahl stehende Themen sind:
- Spannungsfeld von Denkmalpflege und Wissenschaft
- „Macht“ und Hierarchien
- Publizieren und Begutachten
- Veränderungen („Change Management“)
- Kommunikation und Gesprächsführung, auch in schwierigen Situationen
- Motivation
- Vermittlung
Diese Themenliste kann auf Wünsche der Studierenden hin auch noch ergänzt und erweitert werden.
Am Ende der drei Seminartage wurde dann (hoffentlich) folgendes erreicht:
- Die Studierenden können anhand der besprochenen Themenkomplexe und auf Grund der Diskussionen zu den Vorträgen und des vorgestellten problematischen Situationen ihre eigenen Stärken und Schwächen beurteilen
- Die Studierenden werden dazu angeregt, über konkrete berufliche Ziele, egal ob fachlich, fachnah oder fachfern, nachzudenken, und sich der Vor- und Nachteile von beruflichen Richtungen bewusst zu werden
- Die Studierenden werden dazu angeregt, darüber nachzudenken, welche Kompetenzen und Qualifikationen sie zum Erreichen ihrer individuellen beruflichen Ziele bereits haben, und welche sie noch erwerben sollten bzw. müssten
- Durch die Diskussion der archäologischen Beispiele erweitern die Studierenden ihren fachlichen Horizont
- Durch die Reflektion von und Diskussion über problematische Situationen und Gegebenheiten im Rahmen von archäologischen Tätigkeiten werden den Studierenden Lösungsansätze an die Hand gegeben, die sie im weiteren beruflichen Leben in ähnlichen Situationen abgewandelt auf die jeweiligen Gegebenheiten anwenden können
Auch in diesem Seminar erscheint es mir wichtig, die unterschiedlichen fachlichen, fachnahen und fachfernen Berufsfelder gleichwertig neben einander stehenzulassen, und keiner Richtung einen Vorzug zu geben. Daher sollte von Seiten der Lehrenden auch darauf geachtet werden, dass die von den Studierenden erstellte Mind-Map nicht einseitig wird; ggf. müssten hier dann auch bei einer Besprechung der Mind-Map entsprechende Anmerkungen und Ergänzungen vorgenommen werden.
Ich hoffe, diese Beispiele können als Anregungen für didaktische Elemente oder Lehrveranstaltungen zum Themenfeld “Beruf” dienen. Über konstruktives Feedback, oder Hinweise auf ähnliche Veranstaltungen, würde ich mich freuen.
Dieser Blogeintrag ist am 25. Januar 2019 zuerst unter https://archiskop.hypotheses.org/386 erschienen.