Doris Gutsmiedl-Schümann

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Doris Gutsmiedl-Schümann

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Ein geisteswissenschaftliches Studium bietet viele Möglichkeiten, den wissenschaftlichen Vortrag zu üben: Jedes Referat kann und sollte dazu genutzt werden. Wesentlich ist hierbei aus meiner Sicht, dass in den Lehrveranstaltungen auch Raum bleibt, um unterschiedliche Vortragstechniken auszuprobieren, und dass sowohl Lehrende als auch zuhörende Studierende konstruktives Feedback auf Vorträge geben.

Doch darum geht es mir heute nicht. Wie der Titel schon andeutet, setzt dieser Beitrag auf einer allgemeineren Ebene an. “Reden” ist hier nicht nur im Sinne von “Vortragen” gemeint, sondern sowohl im Sinne von “mit jemandem sprechen” als auch “vor jemandem sprechen” – ohne explizite Vorbereitung, ohne Skript und ohne Folien.

Doch warum ist es wichtig, im Studium Reden zu lernen und zu trainieren? Absolventinnen archäologischer Studiengänge sind in sehr unterschiedlichen Berufsfeldern zu finden. Viele von ihnen haben gemeinsam, dass sie kommunikative Fähigkeiten erfordern: Beispielsweise, wenn Geldgeberinnen, Politikerinnen oder Journalistinnen spontan auf einer archäologischen Ausgrabung, in einem Museum oder bei anderer Gelegenheit vorbeischauen, und einen aktuellen Stand der Arbeiten erfahren wollen. Am jeweiligen Projekt beteiligte Archäolog*innen sollten in der Lage sein, aus dem Stegreif einen kurzen Überblick über das Projekt und den aktuellen Stand der Arbeiten geben zu können, und auf Fragen antworten zu können.

Derartige Situationen lassen sich meist nicht unmittelbar auf das Studium übertragen, doch Kurzvorträge, die auf derartige kommunikative Fähigkeiten abzielen, lassen sich in Lehrveranstaltungen integrieren. Ich nutze hierfür gerne die erste Phase der Vorlesungszeit in meinen Seminaren. Meist stehe ich hier vor der Herausforderung, zum Thema des Seminars in der Gruppe der teilnehmenden Studierenden schnell eine gemeinsame Wissensbasis aufbauen zu müssen. Hierfür nutze ich gerne Kurzvorträge, in denen jede*r Studierende einen wissenschaftlichen Artikel zum Seminarthema in 3, 5 oder 7 Minuten zusammenfassen soll – in der Regel ohne Visualisierung oder Folien. Diese Kurzvorträge sind inspiriert von dem Format des sog. Elevator Pitch. Das Denkmodell hinter dem Elevator Pitch ist eine gemeinsame Fahrt im Aufzug mit einer einflussreichen Person: Vortragende haben eine Liftfahrt lang Gelegenheit, sie von einer Idee oder einem Projekt zu überzeugen.

Die Studierenden wissen in den Kurzvorträgen also, worüber sie sprechen, und sie können bzw. dürfen auch ein Skript verwenden, wenn sie das möchten. Ich lege ihnen jedoch meist nahe, den Kurzvortrag ohne Skript zu versuchen – insbesondere wenn im Seminar vor allem fortgeschrittene Studierende angemeldet sind.

Über das Fachstudium hinaus gibt es aber auch weitere Möglichkeiten, im Studium das Reden zu üben. Oft ist bekannt, dass es in Großbritannien an den Universitäten debating societies oder Debattierclubs gibt. Weniger bekannt ist nach meiner Erfahrung, dass es auch vielerorts an deutschen Universitäten studentische Debattierclubs gibt, in denen sich Studierende unterschiedlichster Fächer bei regelmäßigen Treffen zusammenfinden und nach festen Regeln debattieren und freie Rede üben. Eine Übersicht über die aktuellen Debattierclubs gibt es auf der Webseite des Verbands der Debattierclubs an Hochschule VDCH; dort findest sich auch eine kurze Einführung ins Debattieren.

Ich bin im Rahmen meines Studiums durch einen Aushang in der Mensa auf den damals noch recht jungen Debattierclub München aufmerksam geworden, und habe mir das studentische Debattieren in einigen Treffen angeschaut und ausprobiert. Die Themen der wöchentlichen Debatten waren in der Regel der Tagespolitik entnommen: Wer also regelmäßig die Nachrichten verfolgte, hatte genug Wissen, um mitreden bzw. -debattieren zu können. Dabei werden die Positionen in der Debatte – also ob man “pro” oder “contra” ein Thema spricht – in der Regel zugelost, und nicht nach der persönlichen Meinung vergeben. Somit wird beim Debattieren also trainiert, ein Thema zu vertreten, unabhängig davon, wie man selbst dazu steht. Dies ist mit vielen beruflichen Situationen vergleichbar, und hilft dabei, die eigenen kommunikativen Fähigkeiten zu entwickeln.

Wer mehr wissen möchte: Hier einige nützliche Links zum Thema Debattieren und Debattierclubs an Hochschulen:


Dieser Blogeintrag ist am 1. Mai 2024 zuerst unter https://archiskop.hypotheses.org/900 erschienen.

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Forschende - Lehrende - Archäologin | Prähistorikerin - Hochschuldidaktikerin