Doris Gutsmiedl-Schümann

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Doris Gutsmiedl-Schümann

Doris Gutsmiedl-Schümann

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Die Vorlesungszeit des Sommersemesters steht vor der Tür, und damit beginnen bald auch wieder Lehrveranstaltungen, in denen Hausarbeiten geschrieben werden. Dies möchte ich zum Anlass nehmen, mit der “sukzessiven Hausarbeit” einen Weg vorzustellen, wie ich Studierende in meinen Seminaren ans Schreiben einer Seminararbeit heranführe.

Vorneweg etwas zu den Begriffen: Ich werde hier “Hausarbeit” und “Seminararbeit” als Bezeichnung für eine schriftliche Arbeit verwenden, die Studierende in der Regel als alleinige Autor*innen nach wissenschaftlichen Kriterien bis zu einem bestimmten Termin verfassen, und als Prüfungsleistung einreichen. Typischerweise haben diese Arbeiten einen Umfang zwischen 5 und 15 Seiten; häufig werden sie im Rahmen von Seminaren geschrieben. Oft, aber nicht zwingend, geht der Haus- oder Seminararbeit ein Referat zum gleichen Thema voraus, welches dann in der Prüfungsleistung verschriftlicht wird.

Doch warum lassen wir eigentlich Seminararbeiten schreiben? Ja, sie sind in vielen Fällen die in einem Modul vorgegebene Prüfungsform, aber das allein sollte nicht der Grund sein. Hausarbeiten üben das wissenschaftliche Arbeiten. In vorgegebener Zeit müssen die Studierenden zu einem Thema recherchieren, wissenschaftliche Literatur finden, diese lesen, zusammenfassen und exzerpieren, um den wissenschaftlichen Diskurs zu einem Thema zu erfassen. Sie müssen basierend auf diesen Arbeiten einen eigenen Zugang zum Thema finden, die gefundenen und zusammengestellten Informationen aufbereiten und gliedern und in einem wissenschaftlichen Text mit entsprechenden Belegen darstellen. Hinter dem Schlagwort “Seminararbeit” verbirgt sich also eine komplexe Textgattung, die bestimmten Regeln folgt, und um die zu schreiben viel Vorarbeit nötig ist.

Und genau an dieser Stelle setzt die sukzessive Hausarbeit an.

Diese Form der Hausarbeit eignet sich besonders für Studierende, die noch wenig Erfahrung mit wissenschaftlichem Arbeiten allgemein oder dem Schreiben von Seminararbeiten im Speziellen haben. Wenn eine entsprechende begleitende Betreuung der Studierenden etwa durch Tutor*innen oder in Übungen zum wissenschaftlichen Arbeiten sichergestellt ist, eignet sich die sukzessive Hausarbeit auch ganz Grundlegend als Einstieg in das wissenschaftliche Arbeiten. Ich habe dieser Art, Seminararbeiten zu schreiben, an der Leuphana Universität Lüneburg als Lehrende in deren Leuphana Semester kennengelernt, und ein wenig an die Bedürfnisse meiner Seminare in Archäologiestudiengängen angepasst.

Bei dieser Form der Seminararbeit werden einzelne Arbeitsschritte explizit gemacht, und zu den einzelnen Arbeitsschritten von den Studierenden auch etwas eingefordert. Wichtig ist, diese Abgaben nicht nur einzufordern, sondern auch zeitnah Feedback darauf zu geben, da davon oftmals weitere Arbeitsschritte der Studierenden abhängen.

Zu Beginn der Vorlesungszeit wählen die Studierenden im Seminar ein Thema – in der Regel aus einer Liste von Themenvorschlägen, die ich passend zum Thema des Seminars erstellt habe. Dabei sind die Themen bewusst eher offen formuliert: Die Studierenden sollen bei der Bearbeitung etwas Spielraum haben, Schwerpunkte nach eigenen Interessen zu setzen.

Im ersten Drittel des Semesters ist nun zuerst Recherche und das Erstellen einer Bibliographie gefragt. Dazu gebe ich in der Regel in der Sitzung, in der auch die Themen vergeben werden, eine kurze Einführung; dabei nenne ich auch Links, unter denen zu diesen Themen sinnvoll recherchiert werden kann, oder Handbücher und Lexika, die bei der Recherche weiterhelfen können. Zudem kann es für die Studierenden hilfreich sein, Vorgaben zu machen, wie z.B. dass auf der Bibliografie mindestens 2 Monografien, 2 Ausätze aus Sammelbänden und 3 Artikel aus wissenschaftliche Zeitschriften stehen müssen. Die Bibliografie muss dann in einem bestimmten vorab festgelegten Zitierstil bis zu einem bestimmten Datum elektronisch bei mir eingereicht werden. Bei größeren Seminaren gebe ich meist gestaffelte Abgabetermine, um die Anzahl der zu kommentierenden Bibliographien für mich im überschaubaren Rahmen zu halten. Feedback auf ihre Bibliographie erhalten die Studierenden innerhalb von einer Woche: Dabei gehe ich einerseits auf Formales ein, andererseits kommentiere ich die ausgewählten Werke inhaltlich in Bezug auf das von den Studierenden gewählte Thema, und gebe Tipps für weitere zu berücksichtigende Literatur.

Nun haben die Studierenden mit ihrer Bibliographie einen ersten Schritt hin zu ihrer Seminararbeit getan, und sich in ihr Thema eingelesen. Als nächstes sollen sie nun eine Forschungsfrage zu ihrem Thema formulieren. Auch dafür gibt es im Rahmen der Lehrveranstaltung eine kurze Einführung, und auch hier wird ein Termin für das Einreichen der Forschungsfrage bekannt gegeben. Feedback auf die für die Hausarbeit vorgeschlagene Fragestellung gebe ich gerne mündlich: So kann ich einerseits dafür sorgen, dass die Fragestellungen zum Umfang der geplanten Hausarbeit passen, und andererseits im Gespräch sicherstellen, dass die Studierenden nach wie vor ein Thema bearbeiten, dass sie persönlich auch interessiert und/oder zu ihren Studienschwerpunkten passt.

Die Studierenden haben nun eine Bibliographie erstellt und eine Fragestellung formuliert. Meist sehe ich zu, dass diese beiden Schritte etwa zur Mitte des Semesters oder kurze danach abgeschlossen sind. In der zweiten Semesterhälfte können die Studierenden nun ein Exposé zu ihrer Hausarbeit schreiben. Auch dazu gibt es eine kurze Einführung im Rahmen des Seminars, und auch hier gebe ich Abgabetermine vor. Diese wähle ich in der Regel so, dass ich vor Ende der Vorlesungszeit noch genug Gelegenheit habe, die Exposés zu kommentieren, und Feedback darauf zu geben. Diese Rückmeldung erhalten die Studierenden wiederum schriftlich, damit sie die Möglichkeit haben, beim Schreiben der Hausarbeit immer wieder darauf zugreifen zu können. Wenn es weiteren Gesprächsbedarf gibt, gibt es dafür aber auch Sprechstundentermine.

Nach der Recherche zu ihrem Thema und dem Erstellen einer Bibliographie, dem Formulieren einer Fragestellung für ihre Hausarbeit und dem Schreiben eines Exposés zu ihrer Hausarbeit sind die Studierenden nun inhaltlich gut darauf vorbereitet, in der dafür vorgesehenen Zeit ihre Seminararbeit zu schreiben. Was nun noch fehlt, ist ein Überblick über die formalen Dinge, die beim Schreiben einer Hausarbeit berücksichtigt werden müssen. Auch dafür plane ich im Seminar Zeit für eine kurze Einführung ein – meist gegen Ende der Vorlesungszeit. Zudem fasse ich alles, was im Laufe des Semesters an Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens zur Vorbereitung der Hausarbeit besprochen wurde, noch einmal zusammen, und gebe Raum für Fragen.

Zusammenfassende grafische Darstellung des Texts

Wie gesagt, dieses Vorgehen eignet sich aus meiner Sicht besonders bei Seminaren, die von Studierenden besucht werden, die wenig oder keine Erfahrung im Schreiben von Hausarbeiten als wissenschaftliche Arbeiten haben. Für mich als Lehrende bedeutet das zwar auf der einen Seite mehr Arbeit im Laufe der Vorlesungszeit; sollte ich in einem Semester mehr als eine Veranstaltung mit der Prüfungsform “Hausarbeit” durchführen, kann ich die sukzessive Hausarbeit auch nur in einem meiner Seminare anbieten. Dazu wähle ich dann das Seminar aus, in dem ich den größten Anteil an noch unerfahrenen Hauptfachstudierenden erwarte. Ich habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass sich die Zeit, die ich im Laufe der Vorlesungszeit in die sukzessiven Hausarbeiten investiere, am Ende der vorlesungsfreien Zeit, wenn die Seminararbeiten eingereicht werden, auszahlt: Die Arbeiten sind strukturierter und besser geschrieben, und das Bewerten kostet mich nicht nur weniger Zeit als bei vergleichbaren Arbeiten ohne die Vorarbeiten im Semester, sondern macht auch mehr Spaß.


Dieser Blogeintrag ist am 1. Mai 2024 zuerst unter https://archiskop.hypotheses.org/900 erschienen.

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Forschende - Lehrende - Archäologin | Prähistorikerin - Hochschuldidaktikerin