Doris Gutsmiedl-Schümann

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In den letzten Wochen, während des Wintersemesters 2021/2022, war es sehr ruhig auf meinen Blog. Ansonsten aber ist mein archäologisch-akademisches Leben alles andere als ruhig verlaufen: Das 4. Pandemiesemester habe ich als das bisher anstrengendste Pandemiesemester empfunden. Dafür gab es unterschiedliche Gründe.

Auf der einen Seite wurde von meiner Universität für das Wintersemester die grundsätzliche Rückkehr zur Präsenz und damit Lehre vor Ort als bevorzugtes Format festgelegt. Auf der anderen Seite zeigten die vom RKI seit dem Spätsommer veröffentlichten steigenden Zahlen von Covid-19-Infektionen, dass für das Wintersemester mit einer neuen Welle in der Covid-19-Pandemie zu rechnen war. Leider stieg die Impfquote in der gleichen Zeit nur langsam an, so dass absehbar war, dass die neue Covid-19-Welle im Winter eine Überlastungsgefahr für das Gesundheitssystem mit sich bringen würde. Noch vor dem Beginn des Wintersemesters stelle sich mir also die Frage, ob sich die angestrebte Lehre vor Ort für die Dauer der Vorlesungszeit überhaupt durchführen lässt, oder ob wir nicht doch wieder in die digitale Lehre wechseln würden.

Dies hätte eigentlich bedeutet, dass ich zu jeder meiner Veranstaltungen drei unterschiedliche didaktische Entwürfe hätte vorbereiten müssen: Einen für ein Semester mit Lehre vor Ort, einen für ein Semester mit digitaler Lehre, sowie einen für ein Semester, bei dem zwischen digitaler Lehre und Lehre vor Ort hin- und hergewechselt wird. Dafür fehlte mir aber die Zeit. Daher habe ich mich dazu entschieden, eine Veranstaltung, die sich auf Grund Ihres Themas gut dafür anbietet, digital durchzuführen, und für alle anderen Veranstaltungen Konzepte für die Lehre vor Ort unter den pandemiebedingten Rahmenbedingungen anzubieten. Zu diesen Rahmenbedingungen hatte ich auf diesem Blog in Gedanken zum 4. Pandemiesemester: Lehre vor Ort unter neuen Bedingungen einiges geschrieben.

Was ich dabei aber völlig unterschätzt habe, ist der zusätzlich “mental load”, der durch Lehre vor Ort unter Pandemiebedingungen auf mich als Lehrende entfällt. Neben den fachlichen Inhalten und den didaktischen Methoden kamen viele zu beachtende Kleinigkeiten hinzu, die meine Aufmerksamkeit von der eigentlichen akademischen Lehre abgezogen haben. Das betraf einerseits die Durchführung der Veranstaltungen selbst: Ist der Seminarraum gut gelüftet? Tragen auch alle Studierende ihre Masken? Haben sich alle in das Kontaktnachverfolgungssystem eingebucht? Halten die Studierenden die geforderten Abstände ein? Wann muss ich während der Veranstaltung die Fenster wieder öffnen? Spreche ich durch meine FFP2-Maske laut genug, bin ich für alle zu verstehen? Und so weiter…

Andererseits kamen auf Grund der Lehre vor Ort auch von Seiten der Studierenden viele zusätzliche Fragen, die in der Regel kontaktarm per E-Mail gestellt wurden, und die auch viel von ihren Sorgen und Nöten preisgaben. Die Anfragen betrafen beispielsweise folgende Themen: Was mache ich, wenn ich wegen Erkrankung, Erkrankung von Kindern oder Angehöriger, die auf meine Versorgung angewiesen sind, oder wegen Quarantäne mehr als 20% der Veranstaltung verpasse? Wie kann ich die in der Prüfungsordnung vorgesehene Möglichkeit der Zusatzleistungen nutzen, um die regelmäßige Teilnahme an der Veranstaltung bestätigt zu bekommen, auch wenn ich mehr als 20% verpasst habe? Meine Corona-Warn-App zeigt rot, soll ich besser nicht in die Veranstaltung kommen? Ich warte auf ein Testergebnis, soll ich besser zu Hause bleiben?

Schon nach den ersten vier Wochen Vorlesungszeit war absehbar, dass es bei einem ganzen Semester in Präsenz wohl nur wenige Studierende schaffen würden, die in der Prüfungsordnung festgelegen 80% Anwesenheit zu erfüllen: Zu viele Absagen wegen Quarantäne, kranker Kinder oder eigener Krankheit erreichten mich vor jeder Sitzung. Für mich als Lehrende bedeutete dies, dass die ebenfalls in der Prüfungsordnung aufgezeigte Möglichkeit, Studierenden durch zu erbringende Zusatzleistungen das Erreichen der regelmäßigen Teilnahme zu ermöglichen, in diesem Semester einen bedeutenden Mehraufwand darstellen würde: Aufgabenstellungen für Zusatzleistungen müssen passend zur Veranstaltung entwickelt werden, sie müssen betreut und bewertet werden – zusätzlich zu den von den Studierenden ohnehin schon zu erbringenden Studien- und Prüfungsleistungen.

Aber: Es war kein volles Semester in Präsenz. Ab dem 13. Dezember 2021 wurde dazu aufgerufen, alle Veranstaltungen, die nicht zwingend vor Ort stattfinden müssen, in den digitalen Raum zu verlegen. Dies galt zunächst bis Mitte Januar, wurde dann aber bis zum Ende der Vorlesungszeit verlängert. Damit hatte sich noch vor Weihnachten die Lehrsituation wieder verändert. Meine Veranstaltungen, die als Veranstaltungen vor Ort konzipiert worden waren, mussten nun auch wieder angepasst werden – allerdings waren hier nur kleine Anpassungen möglich. Insbesondere die Studienleistungen der Studierenden, die für Veranstaltungen vor Ort konzipiert worden waren, und die von einigen Studierenden bereits vorgetragen worden waren, mussten auch im digitalen Raum beibehalten werden, um alle Studierenden wenigstens einigermaßen gleich zu behandeln. Völlig andere Arten von Studienleistungen, die in meinen digitalen Veranstaltungen vergangener Semester zu erbringen waren, konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr einführen. Insgesamt war daher auch der digitale Teil der Vorlesungszeit eher unbefriedigend: Dadurch, dass wir mit laufenden Veranstaltungen in den digitalen Raum wechseln mussten, konnte ich dort nur das fortführen, was wir als Lehrveranstaltungen vor Ort begonnen hatten. Es war leider nicht möglich, die Veranstaltungen so umzustrukturieren, dass sie die Möglichkeiten des digitalen Raums wirklich nutzen konnten. Immerhin, habe ich im digitalen Seminarraum endlich einmal die Gesichter meiner Studierenden gesehen, nachdem ich sie seit Semesterbeginn nur mit FFP2-Masken kannte.


Dieser Blogeintrag ist am 1. März 2022 zuerst unter https://archiskop.hypotheses.org/718 erschienen.

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Forschende - Lehrende - Archäologin | Prähistorikerin - Hochschuldidaktikerin