Doris Gutsmiedl-Schümann

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Doris Gutsmiedl-Schümann

Präsenzfreies Sommersemester 2020 (4):

Leitfragen und Grundsätze bei der Konzeption meiner digitalen Veranstaltungen

Doris Gutsmiedl-Schümann

10 Minuten Lesezeit

Ab der kommenden Woche sollen nun auch an meiner Universität präsenzfreie Lehrveranstaltungen im digitalen Raum durchgeführt werden; inzwischen habe ich die Konzepte meiner Veranstaltungen auch an die speziellen Bedingungen des Sommersemesters 2020 angepasst. Aus diesem Grund möchte ich hier rückblickend zusammenfassen, wie ich vorgegangen bin, und welche Überlegungen dabei eine Rolle gespielt haben.

Während ich an den präsenzfreien Konzepten meiner Veranstaltungen gearbeitet habe, haben sich auch die Rahmenbedingungen für das Sommersemester 2020 noch einmal verändert: In meinen ersten Texten zu diesem Thema bin ich noch von einem präsenzfreien Start ins Sommersemester 2020 ausgegangen, inzwischen jedoch muss ich davon ausgehen, dass das Sommersemester 2020 komplett präsenzfrei ablaufen wird. Dementsprechend habe ich nun die Veranstaltungen für das ganze Semester im digitalen Raum geplant. Wie in früheren Texten bereits erwähnt, lagen für meine Veranstaltungen bereits Konzepte vor, als die Präsenzphasen des Sommersemesters abgesagt wurden: Ich stand daher vor allem vor dem Problem, diese Konzepte sinnvoll auf den digitalen Raum übertragen zu müssen, und dabei von den Studierenden und mir nichts Unmögliches zu verlangen. Wie ich dabei vorgegangen bin, möchte ich im Folgenden anhand von Leitfragen und aus meinen Überlegungen abgeleiteten Grundsätzen kurz darstellen.

Frage 1a: Was wird ohnehin schon asynchron oder im Selbststudium gemacht?

Frage 1b: Was davon ist auch bei geschlossenen Bibliotheken, Instituten oder Museen und damit eingeschränktem Zugang zu Quellen und Literatur möglich?

Hierzu habe ich mir für jede Lehrveranstaltung als erstes vergegenwärtigt, welche Elemente in der Veranstaltung ohnehin schon asynchron oder im Selbststudium durchgeführt werden. Dabei ist mir vor allem bewusst geworden, dass für mich als Lehrende v.a. die regelmäßigen Sitzungen im Seminarraum oder Hörsaal die Fixpunkte sind, die eine Veranstaltung strukturieren, ich bei der Konzeption einer Veranstaltung für das digitale Sommersemester 2020 aber viel mehr aus der (angenommenen) Perspektive der Studierenden planen sollte: Auch in einem normalen Semester arbeiten die Studierenden zwischen den Sitzungen an ihren Themen, lesen und exzerpieren Literatur, recherchieren, erstellen Bibliographien und so weiter. Vieles davon lässt sich auch in einem digitalen Semester durchführen – mit einigen Einschränkungen, die ich bei der Planung berücksichtigen muss: So sind etwa Bibliotheken (derzeit) geschlossen, so dass Studierende zwar zu nahezu allen Themen recherchieren und bibliographieren können, sie aber bei einigen Themen anschließend nicht oder nur eingeschränkt weiterarbeiten können, da die Literatur, die sich gefunden haben, nicht elektronisch verfügbar ist. Auch bei der Auswahl der zu lesenden Literatur spielt die Frage nach der elektronischen Verfügbarkeit derzeit eine große Rolle: Dementsprechend habe ich zum einen die in den Veranstaltungen verpflichtend zu lesende Literatur entsprechend angepasst, und auf dem e-Campus hinterlegt bzw. verlinkt, zum anderen die zur Auswahl stehenden Themen für Referate und Hausarbeiten an die Verfügbarkeit elektronischer Quellen angepasst.

Daraus folgte für mich für die weitere Planung, die ohnehin schon bestehenden asynchronen Elemente nicht nur beizubehalten, sondern – wo möglich – noch auszubauen.

Grundsatz 1: So synchron wie nötig, so asynchron wie möglich

Ich möchte den Studierenden im digitalen Sommersemester möglichst viele Freiheiten geben, um im eigenen Rhythmus die Inhalte einer Veranstaltung durchzuarbeiten, möchte aber mit synchronen Elementen auch Fixpunkte zu schaffen, die einerseits bei der Strukturierung des Selbststudiums helfen können, andererseits auch Termine setzen, bis zu denen ein bestimmter Abschnitt in der Veranstaltung auch geschafft werden kann, damit am Ende des Semesters alle die Voraussetzungen für die Modulprüfungen erreicht haben können.

Frage 2: Wie viel ist pro Veranstaltung im Selbststudium zu leisten?

Ich habe aber auch schnell bemerkt, dass von meiner Seite die Gefahr besteht, die Veranstaltungen mit Inhalten zu überfrachten: Als ich angefangen habe, meine Veranstaltungen v.a. mit Blick auf die Zeit zwischen den Fixpunkten zu planen, habe ich schnell so viel interessantes Material gefunden, das für Selbstlernphasen genutzt werden kann, dass ich mich hier schon wieder bewusst zurücknehmen und eine begründete Auswahl treffen musste. Dabei waren für mich die Angaben aus den Studien- und Prüfungsordnungen eine große Hilfe: Mit der einfachen Faustregel, dass ein Leistungspunkt oder ECTS-Punkt 30 Stunden Arbeit entspricht, konnte ich hier zunächst die für das Modul insgesamt aufzuwendende Zeit berechnen, und dann, je nach den in dem Modul vorgesehenen Lehrveranstaltungen, Studienleistungen und Prüfungen die Zeit, die über das Semester für meine Veranstaltung zur Verfügung steht. Dabei ist mir bewusst geworden, dass das gar nicht so viel ist – insbesondere, wenn ich bedenke, dass sich die gegenwärtigen Lebensbedingungen in einer Pandemie sicherlich auch negativ auf die individuellen Studierbedingungen auswirken.

Grundsatz 2: Weniger ist mehr – lieber eine begründete Auswahl treffen, als mit Inhalten zu überfrachten

Was also den Umfang der zu lesenden Literatur und die Aufgabenstellungen für das Selbststudium betrifft, versuche ich, lieber weniger verpflichtend vorzugeben, das dafür dann aber auch in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht nur gelesen, sondern auch durchdrungen werden kann.

Frage 3: Wann, wo und wie können Fragen gestellt und Inhalte der Veranstaltung diskutiert werden?

Es liegt in der Natur von Lehrveranstaltungen, dass Fragen aufkommen. In einem normalen Semester haben Studierende in der Regel viele Möglichkeiten, mir Fragen zu stellen, oder in der Diskussion mit Mitstudierenden Fragen zu klären: Zufällig Treffen in den Räumen, auf den Fluren oder vor dem Institut sowie in den Bibliotheken geben Gelegenheiten für schnelle Fragen und Gespräche; Sprechstunden und offene Bürotüren bei Dozent*innen können zum Klären von Fragen genutzt werden, und insbesondere die Interaktion mit anderen Studierenden darf hierbei nicht unterschätzt werden. Diese kommunikativen und sozialen Aspekte des universitären Alltags im Studium fallen in der Zeit des „social distancing“ (oder vielleicht besser: „physical distancing“) nun weg, und müssen im digitalen Universitätsalltag durch explizit hergestellte Kommunikationsräume ersetzt werden. Dies gilt nicht nur für aufkommende und zu klärende Fragen, sondern auch für die Diskussion von Veranstaltungsinhalten – auch wenn diese mehr als das Klären von Fragen an die regelmäßig stattfindenden Veranstaltungssitzungen gebunden ist. Für die mit Sicherheit aufkommenden Fragen habe ich mich entschieden, Foren zu nutzen, die ich in den e-Campus-Kursen zu meinen Veranstaltungen anlegen kann. In den Veranstaltungen bitte ich die Studierenden, zum Stellen von Fragen diese Foren zu nutzen, auch wenn sie das Gefühl haben, dass diese Frage nur sie betrifft: In der Regel sind die Antworten auf die allermeisten Fragen, die Inhalte oder Organisatorisches von Veranstaltungen betreffen, für viele andere Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch interessant. Zudem kann in Foren auch etwas wie ein Miteinander der Studierenden entstehen, wenn sie sich dort gegenseitig helfen und unterstützen. Damit Foren als Kommunikationsräume aber auch angenommen werden, erläutere ich als Lehrende auch, wie oft ich in einem Forum Einträge lesen und Fragen beantworten kann.

Frage 3: Wann, wo und wie können Fragen gestellt und Inhalte der Veranstaltung diskutiert werden?

Es liegt in der Natur von Lehrveranstaltungen, dass Fragen aufkommen. In einem normalen Semester haben Studierende in der Regel viele Möglichkeiten, mir Fragen zu stellen, oder in der Diskussion mit Mitstudierenden Fragen zu klären: Zufällig Treffen in den Räumen, auf den Fluren oder vor dem Institut sowie in den Bibliotheken geben Gelegenheiten für schnelle Fragen und Gespräche; Sprechstunden und offene Bürotüren bei Dozent*innen können zum Klären von Fragen genutzt werden, und insbesondere die Interaktion mit anderen Studierenden darf hierbei nicht unterschätzt werden. Diese kommunikativen und sozialen Aspekte des universitären Alltags im Studium fallen in der Zeit des „social distancing“ (oder vielleicht besser: „physical distancing“) nun weg, und müssen im digitalen Universitätsalltag durch explizit hergestellte Kommunikationsräume ersetzt werden. Dies gilt nicht nur für aufkommende und zu klärende Fragen, sondern auch für die Diskussion von Veranstaltungsinhalten – auch wenn diese mehr als das Klären von Fragen an die regelmäßig stattfindenden Veranstaltungssitzungen gebunden ist. Für die mit Sicherheit aufkommenden Fragen habe ich mich entschieden, Foren zu nutzen, die ich in den e-Campus-Kursen zu meinen Veranstaltungen anlegen kann. In den Veranstaltungen bitte ich die Studierenden, zum Stellen von Fragen diese Foren zu nutzen, auch wenn sie das Gefühl haben, dass diese Frage nur sie betrifft: In der Regel sind die Antworten auf die allermeisten Fragen, die Inhalte oder Organisatorisches von Veranstaltungen betreffen, für viele andere Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch interessant. Zudem kann in Foren auch etwas wie ein Miteinander der Studierenden entstehen, wenn sie sich dort gegenseitig helfen und unterstützen. Damit Foren als Kommunikationsräume aber auch angenommen werden, erläutere ich als Lehrende auch, wie oft ich in einem Forum Einträge lesen und Fragen beantworten kann.

Grundsatz 3: Kommunizieren, wo, wie und wann Lehrende erreichbar sind und auf Fragen antworten

Damit komme ich zurück zu dem schon angesprochenen anderen wichtigen Element der Kommunikation in meinen Veranstaltungen: Den Diskussionen. In der Regel finden die Diskussionen von Inhalten, Methoden und Theorien in den regelmäßigen Sitzungen der Veranstaltungen statt: Dabei entwickeln sich Gedankengänge und Argumentationen oft spontan und in Abhängigkeit von anderen Redebeiträgen.

Frage 4a: Welche Elemente aus Präsenzsitzungen von Veranstaltungen lassen sich auch asynchron und digital durchführen?

In den digitalen Versionen meiner Lehrveranstaltungen Gelegenheiten und Räume zum Diskutieren zu geben, stellt für mich eine der größten Herausforderungen dar. Asynchronen digitalen Formaten wie z.B. Foren fehlt m.E. die Spontanität und die Notwendigkeit, ad hoc auf Argumente und Debattenbeiträge eingehen zu müssen; synchrone digitale Formate wie z.B. Meetings in virtuellen Seminarraum müssen nach meinen ersten Erfahrungen damit deutlich stärker reglementiert und moderiert werden, als Gruppen im analogen Seminarraum, und können daher die aus früheren Semestern gewohnten Diskussionsformen auch nur eingeschränkt in den digitalen Raum übertragen. Auf der anderen Seite können schriftlich und asynchron geführte Diskussionen in Foren eine Tiefe erreichen, die in synchronen Diskussionen kaum zu erreichen ist: Daher habe ich mich in vielen Fällen entschieden, auch für Diskussionen Foren auf dem e-Campus zu nutzen.

Frage 4b: An welchen Punkten im Verlauf des digitalen Semesters sind synchrone Elemente sinnvoll?

Präsenzsitzungen waren in meinen Veranstaltungen auch als die Fixpunkte im Semester gedacht, an denen entweder von meiner Seite neue Inhalte präsentiert und besprochen bzw. Input in die Gruppe gegeben werden sollte, oder Studierende Referate halten und (Zwischen)Ergebnisse zu Ihren Themen und Semesterarbeiten präsentieren. Angesichts des digitalen Sommersemesters 2020 und dem oben formulierten Grundsatz, so asynchron wie möglich zu arbeiten, stellt sich mir die Frage, ob es sinnvoll ist, Präsentationen von Inhalten im virtuellen Seminarraum durchzuführen – insbesondere, da mir die technische Ausstattung zur Verfügung steht, um Präsentationen mit Tonspuren zu versehen und Podcasts oder Screencasts zu erstellen. Um in der aktuellen Ausnahmesituation möglichst allen Studierenden die Gelegenheit zu geben, meine Präsentationen und Inputs auch zu sehen, werde ich wohl v.a. Aufzeichnungen nutzen, und nur wenig im virtuellen Seminarraum vorstellen.

Bei der Frage nach studentischen Beiträgen spielen für mich mehrere Aspekte eine Rolle: Zum einen kann ich nicht davon ausgehen, dass alle Studierenden die Möglichkeit haben, Audio- oder Videoaufzeichnungen zu machen, auch wenn ich annehmen kann, dass wohl viele auch ein Smartphone nutzen, und damit Aufnahmen anfertigen können. Zum anderen ist die Situation, live vor einer Dozentin zu sprechen, grundsätzlich eine andere, als eine Aufnahme zu erzeugen: Dieses Element würde ich nur ungern ganz aus der digitalen Lehre entfernen. Daher habe ich mich in vielen Veranstaltungen nun für eine Mischform entschieden: Ein Teil der nach dem ursprünglichen Plan mündlich zu erbringenden Studienleistungen soll von den Studierenden nun entweder ausschließlich schriftlich, oder als Text in Kombination mit einem 5-minütigen aufgezeichneten Kurzvortrag (nur Audio) auf dem e-campus eingestellt werden; ein Teil der Studienleistungen wird nach wie vor als Referat gehalten, nun allerdings im virtuellen Seminarraum.

Grundsatz 4: Vielfalt auch im digitalen Semester!

Bei der Planung meiner Veranstaltungen für das digitale Sommersemester 2020 ist mir auch aufgefallen, dass es mit den zur Verfügung stehenden Mitteln des e-Campus, der Foren und des virtuellen Seminarraums in Kombination mit den angenommenen technischen Möglichkeiten der Studierenden eine gewisse Tendenz dazu gibt, einerseits Kommunikation andererseits das Erbringen von Studienleistungen schriftlich durchzuführen. Meines Erachtens bevorzugt das zu sehr jene Studierende, die vor allem durch und mit geschriebenem Text lernen; bei Studierenden, die lieber hören und sprechen, besteht die Gefahr, dass sie im digitalen Sommersemester benachteiligt werden. Auch daher möchte ich in regelmäßigen Sitzungen im virtuellen Seminarraum die Möglichkeit zum Sprechen geben. Trotzdem möchte ich diese Sitzungen nicht dazu nutzen, um meine Präsentationen zu zeigen, auch wenn es arbeitsaufwändiger ist, Podcasts oder Screencast zu erstellen: Meines Erachtens kann ich nur mit auch außerhalb der Seminarsitzung anzuschauenden Formaten sicherstellen, dass sich auch wirklich alle Studierenden mit diesen Inhalten beschäftigen können.

Ich bin sehr gespannt, wie sich meine entlang der hier formulierten Fragen und Grundsätze geplanten digitalen Veranstaltungen im Sommersemester 2020 bewähren, und hoffe hierbei auch auf das Feedback von meinen Studierenden.

Ursprünglich war geplant, dass das Sommersemester an meiner Universität am 6. April beginnen sollte; wegen der Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 und der damit verbundenen Umstellung auf ein digitales Semester wurde der verpflichtende Semesterstart auf den 20. April verschoben. Es war uns Lehrenden allerdings freigestellt, in den vergangenen zwei Wochen bereits optional „Lehre“ anzubieten. Ich habe diese Zeit für erste Testläufe genutzt, möchte hier all jenen Studierenden, die dies mit ihrer Teilnahme ermöglich haben, explizit herzlich danken. Ich freue mich auf das weitere Semester mit Ihnen!


Dieser Blogeintrag ist am 16. April 2020 zuerst unter https://archiskop.hypotheses.org/592 erschienen.

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Forschende - Lehrende - Archäologin | Prähistorikerin - Hochschuldidaktikerin