Doris Gutsmiedl-Schümann

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Doris Gutsmiedl-Schümann

Präsenzfreies Semester (9):

Tonstudio statt Hörsaal

Doris Gutsmiedl-Schümann

4 Minuten Lesezeit

Nach nunmehr schon fast zwei Semestern Online-Vorlesungen möchte ich auch hierzu von meinen persönlichen Erfahrungen schreiben.

Dass es auch im Falle von Vorlesungen nicht damit getan ist, einfach das, was ich als Lehrende sonst vor Studierenden im Hörsaal vortrage, den gleichen Studierenden in einem beliebigen Videochat mit geteilten Folien vorzutragen, war mir sehr schnell bewusst. Im April 2020 hatte ich dazu auch einen kurzen Thread auf Twitter verfasst.

Ich hatte vor einigen Jahren einmal für eine Übung das Konzept des sog. „inverted classroom“ oder „flipped classroom“ ausprobiert, und dafür auch kurze Lehrvideos erstellt. Für diese Videos habe ich die Aufzeichnungsfunktion in PowerPoint benutzt, und schnell die Nachteile dieser auf meinem Rechner bereits vorhandenen Möglichkeit kennengelernt: Da es nicht möglich ist, die Aufzeichnungen nachträglich zu ändern, sollte der Text fehlerfrei und ohne Fülllaute eingesprochen werden. Für mich bedeutete das, dass ich den Text des Lernvideos ausformulieren und das Vortragen proben und einüben musste – für jemanden wie mich, die sonst in der Regel mit Stichworten arbeitet und bei Vorträgen frei formuliert, ein ungewohnter und zeitraubender Arbeitsschritt.

Aus diesem Grund habe ich mich für das Sommersemester 2020 entschieden, es für meine Vorlesungsaufzeichnungen mit einer Screencastsoftware zu versuchen. Hierzu ein herzliches Dankeschön an den Thread von Heidrun Wiesenmüller (@HWiesenmueller) auf Twitter, der viele hilfreiche Tipps für Anfänger*innen wie mich beinhaltet.

Danke auch an Mathias Magdowski (@Mmagdowski), der in einem Thread einige Vorbehalte gegen aufgezeichnete Vorlesungen entkräftet hat.

Anstatt nun jede Woche für 90 Minuten vor Studierenden zu sprechen, produzierte ich Woche für Woche einen Vorlesungsvideo-Screencast – und stellte sehr schnell fest, dass dies deutlich aufwändiger ist, als eine Vorlesung in Präsenz zu halten. Nicht nur, dass ich mich in die für mich noch unbekannten Programme zur Aufzeichnung und Nachbearbeitung erst einarbeiten und Routine gewinnen musste, auch das Sprechen in ein Mikrophon war (und ist immer noch) ungewohnt. Meine Stimme und meine Sprechweise sind darauf trainiert, auch ohne Verstärkung in Seminarräumen und kleineren Hörsälen gehört zu werden; wie in einem Tonstudio zu sprechen musste ich auch erst lernen – und auch zwei Semestern digitale Notfalllehre erreiche ich hier bestenfalls Anfänger-Amateurniveau.

Im Sommersemester 2020 habe ich meine Vorlesung rein asynchron angeboten: Ich habe also Woche für Woche ein Vorlesungsvideo auf dem e-Campus online gestellt, und zu jeder Sitzung ein Forum angeboten, in dem Fragen gestellt und Kommentare hinterlassen werden konnten. Ein Vorlesungsfahrplan, der zu Beginn des Semester online gestellt wurde, gab den Studierenden inhaltliche Orientierung; zudem wurden für jede Sitzung ein oder zwei Artikel, Kapitel oder Textabschnitte zur Vor- oder Nachbereitung empfohlen. Damit diese Texte auch allen zugänglich sind, habe ich hier auf online zugängliche Literatur zurückgegriffen.

Im Wintersemester 2020/2021 habe ich mich dazu entschieden, die Vorlesung auf zwei Wegen anzubieten: Zum einen, wie im Sommersemester auch, rein asynchron: Die Studierenden haben also wieder die Möglichkeit, die Vorlesungssitzungen Woche für Woche bei freier, eigener Zeiteinteilung über den e-Campus zu schauen, und für Fragen und Kommentare dort ein Forum zu nutzen. Zusätzlich biete ich nun aber auch synchrone Vorlesungssitzungen an; die Vorlesung an sich hatte ja auch im Stundenplan des Vorlesungsverzeichnisses ein festes Zeitfenster bekommen: Zu eben diesem im Vorlesungsverzeichnis genannten Termin biete ich die Möglichkeit, den Vorlesungsvideo-Screencast gemeinsam in einem virtuellen Seminarraum zu sehen. Während das Video läuft, können die Studierenden im Chat des virtuellen Seminarraums Fragen stellen und Kommentare hinterlassen; wenn es möglich ist, darauf kurz zu antworten, antworte ich auch bereits im Chat. Nach dem Ende des Videos haben die Studierenden erneut die Möglichkeit, Fragen zu stellen und zu diskutieren – nun sowohl schriftlich im Chat, als auch mündlich nach einer Wortmeldung. Zudem kann ich die Fragen, die bereits während der Vorlesung gestellt wurden, aufgreifen, und ausführlicher beantworten. Auch im Wintersemester gibt ein Vorlesungsfahrplan, der zu Beginn des Semester online gestellt wurde, inhaltliche Orientierung; zudem werden auch im aktuellen Semester für jede Sitzung ein oder zwei Artikel, Kapitel oder Textabschnitte zur Vor- oder Nachbereitung online zugänglich gemacht.

Was sich auch bei wachsender Routine kaum verändert hat, ist der Zeitaufwand, den ich einrechnen muss, um ein Vorlesungsvideo zu erstellen. Für eine durchschnittliche Vorlesungssitzung muss ich ab dem Zeitpunkt, zu dem die Inhalte und die Folien inkl. Stichpunkte für meinen Vortrag stehen, und ich in einem Präsenz-Semester so in den Hörsaal gehen und die Vorlesung halten könnte, noch weitere Stunden für die Aufzeichnung und Nachbearbeitung des Screencasts rechnen. Pro Vorlesungssitzungen haben sich hier weitere 4-6 Arbeitsstunden als realistisch erwiesen.

Inzwischen bin ich an einem Punkt angelangt, an dem ich meist gut abschätzen kann, wie viel Zeit ich jeweils für die Aufzeichnung einer Vorlesungssitzung einplanen muss. Ich bin mir aber auch im Klaren darüber, dass meine Videos genau das sind: Aufgezeichnete Vorlesungen, die ich im Prinzip so auch im Hörsaal vortragen könnte. Dadurch, dass ich mich nun fast zwei Semester lang für meine Vorlesungsaufzeichnungen mit dem Thema Lehrvideos beschäftigt habe, hätte ich auch Ideen, wie ich aus den Vorlesungsaufzeichnungen echte Lehrvideos machen könnte – leider fehlt mir aber die Zeit dafür.


Dieser Blogeintrag ist am 21. Januar 2021 zuerst unter https://archiskop.hypotheses.org/633 erschienen.

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Forschende - Lehrende - Archäologin | Prähistorikerin - Hochschuldidaktikerin